Als officia oratoris (lateinisch officium, „Aufgabe“, „Pflicht“; orator „Redner“) im weiteren Sinne werden in der römischen Rhetoriktheorie die Aufgaben des Redners bezeichnet. In der lateinischen Tradition wird der Begriff in der Regel mit den fünf Produktionsstadien der Rede gleichgesetzt. Demnach ist der Redner beim Verfassen seiner Rede an bestimmte Produktionsstadien gebunden, die nacheinander durchlaufen werden müssen (inventio, dispositio, elocutio, memoria, actio). Darüber hinaus wird der Terminus mit den „Wirkungsarten“ (Ueding) bzw. „Wirkungsfunktionen“ (Dockhorn) der Rede in Verbindung gebracht. Nach dieser Auffassung besteht die Aufgabe des Redners darin, in unterschiedlicher Weise auf das Publikum einzuwirken, um sein Redeziel zu erreichen. Je nach Situation oder Redegegenstand wird er eine eher intellektuell-rationale oder emotionale Ansprache der Zuhörer als geeignete Taktik auswählen. Die römische Rhetorik hat drei Wirkungsarten unterschieden und mit den Termini „docere/probare“, „conciliare/delectare“ und „movere/flectere“ bezeichnet.

docere

Das „docere“ (lat.: belehren, unterrichten) ist die Wirkungsart, „die auf einen rationalen Erkenntnisprozess zielt und die intellektuellen Fähigkeiten der Adressaten anspricht“ (Ueding, Gert: Klassische Rhetorik, S. 75). Die Herstellung einer intellektuellen Überzeugung kann auf der Grundlage rationaler Argumentation geschehen oder einfach die Form einer Mitteilung von Fakten haben. In diesem Sinne werden zwei Intensitätsgrade des „docere“ unterschieden:

  1. die Mitteilung (z. B. Aufzählung von Fakten, Mitteilung des Redeziels, objektive Darstellung eines Sachverhalts oder Ereignisses)
  2. der Beweis (z. B. als Argument oder komplexe Argumentation)

delectare

Das „delectare“ (lat.: erfreuen) dient der „parteigünstigen Erregung sanfter Affekte“ (Lausberg, Heinrich: Elemente der literarischen Rhetorik, S. 69), verlässt also den Bereich strenger Rationalität. Zu den sanften Affekten gehören u. a. Wohlwollen und Vergnügen. Vergnügen kann z. B. durch die sprachliche Schönheit der Rede, ihre rhetorische Ausschmückung (ornatus), beim Publikum hervorgerufen werden. Das Wohlwollen, die Gewogenheit des Publikums, gewinnt (conciliare) der Redner nach Cicero u. a. durch eine geschickte Selbstinszenierung.

movere

Das „movere“ (lat.: bewegen, erschüttern) dient der Erregung starker Affekte wie z. B. Furcht und Hass. Diese Wirkungsart kann eine ungeheure manipulative Kraft entfalten. Das Publikum wird nicht argumentativ überzeugt, sondern überredet.

Literatur

  • Cicero: De oratore. Über den Redner. Übers. und hrsg. von Harald Merklin. 4. Auflage. Reclam, Stuttgart 2001
  • Lausberg, Heinrich: Elemente der literarischen Rhetorik. 4. Auflage. Hueber, München 1971
  • Ueding, Gert: Klassische Rhetorik. 3. Auflage. Beck, München 2000

Einzelnachweise


Officia oratoris

Aus RUTGERS UNIVERSITY STUDIES IN CLASSICAL HUMANITIES Volume VI

'Oratio De Ecclesia, Ejusque Auctoritate' von '' Buch '97838397

Oratoria 2 PDF

10. Philosophisches Propädeutikum der Klassischen Gräzistik • Professur